Heute ist der 8. Mai. Und heute vor 75 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Die großen Gedenkveranstaltungen fallen in diesem Jahr aufgrund der Corona-Pandemie aus. Trotzdem ist es wichtig, diesen Tag zu würdigen. Und dafür braucht es vielleicht gar keinen formellen Staatsakt.
Der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat in einer historischen Rede den 8. Mai 1945 als Tag der Befreiung für Deutschland bezeichnet. Damit hat er eine neue Sicht auf das Ende Krieges gelegt. Deutschland war 1945 natürlich militärisch besiegt, in großen Teilen zerstört, moralisch und wirtschaftlich am Tiefpunkt. Aber der 8. Mai 1945 ist eben auch untrennbar mit dem 30. Januar 1933 verbunden – dem Tag der Machtübernahme Adolf Hitlers und der Nationalsozialisten. Der Bevölkerung ist es nicht gelungen, sich aus eigenen Stücken aus der Nazi-Diktatur zu befreien. Ganz im Gegenteil: Bis zum Schluss unterstütze die Mehrheit – ob aus Überzeugung oder Mitläufertum sei einmal dahin gestellt – das NS-System samt seines Rassenwahns, der Kriegsverbrechen und der industriellen Ermordung von Millionen Juden in Europa. Es brauchte also die Kriegsniederlage und die Alliierten, um Deutschland vom Nationalsozialismus zu befreien.
Unser aktueller Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat heute in seiner Rede von einem „Tag der Dankbarkeit“ gesprochen: „Wir leben in einer starken, gefestigten Demokratie, im dreißigsten Jahr des wiedervereinten Deutschlands, im Herzen eines friedlichen und vereinten Europa.“ All dies wäre ohne den 8. Mai nicht möglich gewesen. Damals haben viele Deutsche Schuld auf sich geladen – durch eigene Beteiligung am Massenmord oder durch Wegsehen und Tolerieren des Holocausts. Heute tragen wir alle eine gemeinsame Verantwortung dafür, dass Menschenrechte, Freiheit, Demokratie und Frieden in Europa bewahrt werden. Das ist gerade in der aktuellen Zeit nicht immer einfach. Hass, Hetze, Verschwörungstheorien und Demokratie-Verachtung breiten sich im Netz so schnell aus, dass man leicht die Orientierung verliert.
Am einfachsten ist es die Erinnerung an den 8. Mai und an das Kriegsende zu wahren, indem wir auf unsere Region schauen. Damals nach Kriegsende sind an vielen Stellen Friedenskreuze aufgestellt worden. Das Foto zeigt das Friedenskreuz auf dem Hühnerberg oberhalb von Lommersdorf (einer meiner Lieblingsorte im Kreis). Das Kreuz ist in diesem Fall ein Symbol für Dankbarkeit. Die Menschen waren erleichtert, sehnten sich nach Normalität und Wiederaufbau und trauerten um gefallene Angehörige.
Heute können wir eigentlich noch viel dankbarer sein: Der Kreis Euskirchen hat knapp 200.000 Einwohner und liegt im Süden Nordrhein-Westfalens. Gleichzeitig haben wir eine direkte Grenze zum Nachbarland Belgien. Mehrere Hundert Menschen überqueren diese Grenze täglich völlig selbstverständlich, um zur Arbeit zu kommen oder Freunde zu besuchen. Ich selbst bin immer völlig faszinierend, wenn ich über den Radweg von Kronenburg kommend hinter Losheim nach Belgien komme. Wäre dort keine Markierung auf dem Asphalt, würde die Grenze nicht auffallen. Wir arbeiten seit einigen Jahren im Tourismus-Bereich eng mit den belgischen Nachbarn zusammen. Es wurden gemeinsame Rad-Aktionstage durchgeführt. Die Region ist zusammengewachsen. Viele Jahrzehnte waren belgische Soldaten in Vogelsang stationiert. Heute wird dort am internationalen Platz Bildungsarbeit geleistet. Lernen aus der NS-Vergangenheit aber auch Erinnern an die Zeit der Belgier am Standort. Die Brücke über den Urftsee im Herzen des Nationalparks Eifel trägt den Namen des ehemaligen belgischen Kommandanten Victor Neels, der sich auch heute noch im hohen Alter wie kaum ein anderer für Aussöhnung engagiert. Im vergangenen Jahr gab es eine große gemeinsame Ausstellung und viele Veranstaltung zur Erinnerung an die Ardennenoffensive im Jahr 1944. Alle Kommunen im Kreis pflegen Partnerschaften zu Städten aus Ländern der damaligen Kriegsgegner. Daraus sind Freundschaften entstanden.
Deshalb können wir im Kreis Euskirchen sagen: Auch wenn das damals noch nicht unbedingt greifbar war, war der 8. Mai 1945 ein Glückstag für unsere Region. Wir sollten dankbar sein für die Chancen, die daraus erwachsen sind. Wir können stolz sein auf die vergangenen 75 Jahre und auf die Verständigung mit unseren Nachbarn. Für Frieden und Demokratie müssen wir jeden Tag arbeiten.