Über 120 Personen aus Politik, Verwaltung und Vereinen haben diese Erklärung mitunterzeichnet. Ein schönes Zeichen, das mir Mut macht. Trotz unterschiedlicher Parteien und Meinungen sind wir uns im Kreis Euskirchen unserer gemeinsamen Verantwortung vor der eigenen Geschichte bewusst. Hier der Text im Wortlaut…

 

„Es geschah vor aller Augen.“

Heute vor 80 Jahren brannten in Deutschland die Synagogen. Jüdische Geschäfte und Wohnhäuser wurden von den Nationalsozialisten verwüstet, Menschen erniedrigt, getötet oder ins KZ geschafft.

Auch die Synagogen in Blumenthal, Euskirchen, Gemünd, Kall, Mechernich, Weilerswist und Zülpich wurden bei diesem kaltblütig inszenierten Gewaltexzess der Nationalsozialisten zerstört. Das jüdische Leben im Kreis Euskirchen wurde in aller Öffentlichkeit angegriffen. Es waren Nachbarn, Freunde und Schulkameraden, die diesen Verbrechen der Nazis zum Opfer gefallen sind.

 

Die Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 war jedoch weder Anfang noch Ende der Judenverfolgung:

Direkt nach der Machtübernahme Hitlers 1933 begann die systematische Ausgrenzung der jüdischen Bevölkerung – Boykott von Geschäften, Berufsverbote, die Nürnberger Rassegesetze, Entzug der Staatsbürgerschaft.

Und es endete mit dem auf der Wannsee-Konferenz 1942 penibel ausgearbeiteten Mord von über sechs Millionen Menschen bei Massenerschießungen und in den Vernichtungslagern. Ein in der Geschichte beispielloser Bruch mit jedweden humanitären Grundsätzen.

 

Vor 1933 lebten 653 Juden in den Städten und Dörfern des Altkreises Euskirchen, 1941 waren es nur noch 271 und Ende 1944 niemand mehr. Wirklich niemand mehr. Die meisten der damaligen jüdischen Nachbarn sind in den Tod geschickt worden, nur einigen ist es gelungen, Deutschland rechtzeitig zu verlassen oder zu fliehen.

Heute zeugen nur noch Gedenktafeln, Stolpersteine und Friedhöfe vom jüdischen Leben in unserer Region. Ein großer Verlust.

 

Das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus ist verbunden mit einer Verantwortung für unsere heutige Demokratie. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Ausgrenzung der Juden und anderer Minderheiten, dass Diskriminierung, Gewalt und Zerstörung bis hin zum industriellen Massenmord in der Nazi-Zeit auch durch diejenigen möglich wurde, die weggeschaut oder diese Gräueltaten stillschweigend akzeptiert haben.

 

Dies muss uns eine Mahnung sein. Eine lebendige Demokratie lebt vom Wettbewerb zwischen Parteien und Personen. Nicht verhandelbar sind jedoch die im Grundgesetz verankerten Menschenrechte sowie die gemeinsame Verpflichtung, dass sich Ereignisse wie am 9. November 1938 niemals wiederholen.

Die Unterzeichner dieser Erklärung wollen ein Zeichen setzen und bekennen sich, auch im Bewusstsein einer historischen Verantwortung, zu folgenden Grundsätzen des demokratischen Miteinanders im Kreis Euskirchen:

 

  • Gewalt ist niemals Mittel politischer Auseinandersetzung im Kreis Euskirchen. Wir verurteilen sämtliche politisch oder religiös motivierte Straftaten. Auch verbale Gewaltandrohungen oder die Instrumentalisierung von Straftaten für parteipolitische Zwecke haben bei uns keinen Platz.
  • Politische Diskussionen werden im Kreis Euskirchen fair und sachlich geführt. Wir verlieren auch bei kontroversem Streit über inhaltliche Fragen nie den Respekt vor dem einzelnen Menschen. Es sind vor allem die vielen ehrenamtlich engagierten Frauen und Männer in Stadt- und Gemeinderäten, im Kreistag und in den verschiedenen Ausschüssen, die gemeinsam mit den Verwaltungen unser Zusammenleben vor Ort gestalten. Bei aller Unterschiedlichkeit bleibt das Wohl unserer Region ein gemeinsames Anliegen.
  • Der Kreis Euskirchen ist weltoffen und tolerant. Wir betrachten die kulturelle und religiöse Vielfalt der Menschen aus über 130 Nationen in unserer Region als Gewinn. Wir stellen uns gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, gegen die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Behinderung oder sozialen Stellung.
  • Ein mahnender Umgang mit der NS-Vergangenheit bleibt fester Bestandteil der Erinnerungskultur im Kreis Euskirchen. Wir wehren uns gegen jede Form von Umdeutung oder Relativierung der Geschichte. Wir sind uns der besonderen Verantwortung für Vogelsang, dem Ort der ehemaligen NS-Ordensburg, bewusst. Wir werden den heutigen internationalen Platz im Nationalpark Eifel vor einer Instrumentalisierung durch Rechtsextremisten schützen und die Ausrichtung als historischen Ort der Begegnung und des Lernens sichern.

 

Auf Basis dieser Verabredung wollen wir uns, gleichermaßen werteorientiert wie streitlustig, engagieren für alle Menschen im Kreis Euskirchen und für eine bunte und vielfältige Gemeinschaft einsetzen.

 

Euskirchen, den 9. November 2018

 

Wer mitunterzeichnen möchte, kann eine Mail an jahrestag.9-11@kreis-euskirchen.de schreiben.